Bildungsweise

Susanne Posselt

Alte Zöpfe

Ich habe ihn abgeschnitten. Den alten Zopf. Es ist ja oft so: Man möchte gerne, dass alles bleibt, wie es war. Es fühlt sich vertraut an, man kennt sich aus. Gewohnheit gibt Sicherheit. Zum letzten Mal habe ich meine Haare vor knapp 20 Jahren kurz getragen. Damals war es der Übergang von der Elternzeit (die seinerzeit noch nicht so hieß) in mein Studium als vierfache Mutter. Ein mutiger Schritt, den ich durch eine neue Haartracht sichtbar machen wollte. Ich weiß, wie das geht: Alte Zöpfe abschneiden. Damals war es ein bewusster Schritt, für den ich mich selbst entschieden hatte.

Nun ist es anders. Die Diagnose hat sich einfach so in mein Leben hineingeschlichen. Der Zopf war längst wieder ziemlich lang geworden. Meine Haare fühlten sich vertraut an, schwer. Wie ein Kleid. In den letzten Tagen fanden sich jedoch lange Strähnen zu wolligen Büscheln verwoben in meiner Haarbürste. Der Zopf wurde zusehends dünner, zerfledderter. Es musste etwas geschehen. Meine Tochter Nike hat die Schere mutig geführt und die neue Frisur etwas in Form gebracht. Der Zopf ist ab. Es fühlt sich leicht an.

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