Am 8. November 2025 diskutierte Kai Maaz auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Stuttgart die tiefgreifenden Krisen und notwendigen Reformen des Bildungssystems. Unter dem Titel „Auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen Bildungssystem?“ schilderte er Bildung im Spannungsfeld globaler Herausforderungen: ökologische und ökonomische Umbrüche, demographischer Wandel, Digitalisierung, Migration und die Erosion demokratischer Prozesse. Diese „Polykrise“ überfordert zunehmend ein System, das auf Symptome reagiert, statt Ursachen anzugehen, von fragmentierten Zuständigkeiten geprägt ist und selten aus Erfahrungen lernt.
Maaz betonte, dass Bildungsgerechtigkeit das Kernproblem bleibt: Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg verfestigt sich über die gesamte Bildungsbiografie hinweg. Effektive Reformen müssen deshalb soziale Ungleichheiten abbauen und Bildung als gemeinsames Zusammenspiel von Schule, Familie, Kommune und Zivilgesellschaft verstehen. Gleichheit dürfe nicht als Gleichförmigkeit, sondern als Passung zwischen Maßnahme und Kontext begriffen werden. Wirkungsvolle Bildungspolitik müsse lokale Gegebenheiten berücksichtigen und die Kommunen als Schlüsselakteure begreifen – nah genug, um Bedarfe zu erkennen, und organisiert genug, um strukturiert zu handeln.
Gefordert ist eine gemeinsame Zielorientierung aller Ebenen: Politik, Praxis und Wissenschaft sollen kohärente Prozesse der Schul- und Unterrichtsentwicklung initiieren, die auf klaren Zielbildern, geteilter Verantwortung und evidenzbasierten Konzepten beruhen. Gute Bildung entsteht dort, wo aus Projekten Routinen werden – wenn Wissen in verbindliche Praxis übergeht. Dazu braucht es Geduld, Verbindlichkeit und lernfähige Strukturen.
Maaz forderte ein umfassendes Verständnis von Bildungsinfrastruktur: materiell (Ausstattung, Räume, digitale Technik), personell (qualifiziertes Personal, multiprofessionelle Teams), qualitativ (evidenzbasierte Programme, überprüfte Materialien) und institutionell (verlässliche Qualitätssicherung). Schließlich brauche das System „Brückeninstitutionen“, die Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Praxis dauerhaft verbinden. Nur so könne Bildung als soziale Infrastruktur wirken – als Fundament von Demokratie, sozialer Gerechtigkeit, Innovationskraft und individueller Resilienz.








