Kennt ihr ihn?
Was fasziniert die Menschen eigentlich so sehr an den Bergen? Vielleicht ist es das: Alles wirkt angesichts ihrer Größe klein und unbedeutend. Von oben betrachtet wirkt die Welt wie ein Puppenhaus. Das, was für uns im Alltäglichen groß und wichtig erscheint, schrumpft mit jedem Höhenmeter zusammen.
Das Matterhorn ist ein ikonischer Berg. Mir fällt kein anderes Wort als dieses Adjektiv ein, um jenen Berg zu beschrieben. Eigentlich bezeichnet das Wort Ikone ein (griechisches) Heiligenbild. Ikonisch ist etwas, das quasi wie ein Kultobjekt verehrt wird. Außerdem hat es einen hohen Wiedererkennungswert. Das Matterhorn wird von vielen Menschen allein wegen seiner einzigartigen Form sofort erkannt. Die Form steht quasi für das Wort.
Touristen aus aller Welt reisen in die kleine Schweiz, um den Berg dort zu bestaunen. Besteigen können ihn die wenigsten. Aber man kann ihn aus den verschiedensten Perspektiven betrachten. Wenn man mit der Gornergratbahn zur Aussichtsplattform hinauffährt, hört man alle Sprachen der Welt. Und auch, wenn man nichts versteht, sieht man den Menschen ihre Faszination und Begeisterung an. Seit 1898 fährt diese zweithöchste elektrisch betriebene Zahnradbahn Europas hinauf auf den Gornergrat. Fast während der ganzen Fahrt hinauf hat man das Matterhorn im Blick – wenn es nicht gerade von Wolken verhüllt ist. Man kann hinauf und auch wieder hinunterfahren, ganz ohne Anstrengung, muss sich dann aber mit den Touristenmassen abfinden, die alle ihr persönliches Selfie vor diesem ikonischen Berg machen wollen. Man wundert sich dabei zuweilen über das Schuhwerk, mit dem manche Zeitgenossen den letzten Anstieg zur Aussichtsplattform in Angriff nehmen.
Nachdem ich mit meiner Tochter Maja im benachbarten Saastal war – wo es ebenfalls sehr schön und beeindruckend ist – stand auch das Matterhorn auf unserer Bucketlist. Klar war jedoch: Wir fahren nicht einfach hoch und wieder runter. Hoch, das traute ich mir mit meiner Vorgeschichte nicht zu. Von Zermatt bis zum Gornergrat müssen 1520 Meter Höhenunterschied überwunden werden. Aber runter, das wollten wir versuchen. Gut ausgerüstet, mit passendem Schuhwerk, Kleidung für alle Fälle und reichlich Proviant machten wir uns auf den Weg. Wir fuhren mit der Bahn hinauf und sahen zunächst: Nichts. Dort, wo wir das Matterhorn vermuteten, hingen weiße Wattewolken. Unverdrossen stiegen wir zur Aussichtsplattform hinauf und warteten. Nicht umsonst: Der Himmel riss auf und wir standen staunend vor dem Bergpanorama des Monte-Rosa-Massivs. Mit offenen Augen und Mündern machten wir uns auf den Weg nach unten ins Tal. Es war ein unbeschreiblich schöner Weg. Wenige hundert Meter unterhalb der Aussichtplattform gaben die Wolken nach und nach den Blick auf den Berg frei. Abseits der Touristenmassen genossen wir unser Picknick mit dem unverstellten Blick aufs Matterhorn und das umliegende Bergpanorama. Nette Zeitgenossen fotografierten uns vor dem Berg: Ein Vater-Sohn-Duo mit Pfälzer Dialekt und ein Ehepaar aus Minnesota. Wir durchquerten die Baumgrenze, schlängelten uns über den Mark-Twain-Weg durch einen mystischen Wald in Serpentinen den Hang hinab – immer das Ziel vor Augen: Zermatt. Ich muss zugeben: Dieser Abstieg hat mich an meine Grenzen gebracht. Am Ende waren meine Oberschenkel ein einziger Schmerz, die Füße taub. Aber: Wir haben es geschafft! Für 11,7 Kilometer haben wir 3 Stunden und 37 Minuten gebraucht. Mit vielen Pausen. Am Ende gab es eine Portion echtes Zermatter Raclette zur Belohnung. Und einen letzten Blick auf Matterhorn.
Wer es nachwandern möchte: Ich habe den Komoot-Link hier freigegeben.























