Bildungsweise

Susanne Posselt

Arbeitszeit – Lebenszeit

Von Entgrenzung und Begrenzung. Gegen die Grenzenlosigkeit.

Mein Schwerpunkt in diesem Schuljahr ist das Thema „Arbeitszeit“ von Lehrkräften. Ein heißes Eisen, wie die Diskussionen in dem von mir mitbetreuten Cluster „Arbeitszeit und Entlastung“ beim „Bildungsrat von unten“ zeigen. Ich bin davon überzeugt, dass wir dringend eine neue Arbeitszeiterfassung in einer Welt der ständigen Erreichbarkeit bei gleichzeitiger Entgrenzung der Zeit brauchen. Ich erfasse dazu in diesem Schuljahr in einer Art Selbstexperiment meine gesamte Arbeitszeit. Ich kann schon so viel sagen: Es ist eine erhellende und spannende Erfahrung. Danke an alle, die regelmäßig gemeinsam mit mir ihre Zeit und Energie für dieses wichtige Thema mit einbringen.

Woher weiß ich eigentlich, wie viel ich arbeiten muss?

Tatsächlich ist es gar nicht so einfach, das herauszufinden…

Für uns als Beamt:innen gelten die ganz normalen Arbeitstage, wie für den Rest der arbeitenden Bevölkerung auch. Man kann sich die Arbeitstage für das eigene Bundesland abzüglich des geltenden Urlaubsanspruchs ganz einfach über den Arbeitstagerechner ausrechnen lassen

Wir haben als Beamt:innen einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Kalenderjahr.

Für Baden-Württemberg komme ich im Schuljahr 2023/24 (1. September 2023 bis 31. August 2024) nach Abzug der 30 Urlaubstage auf 220 Arbeitstage.

Wir müssen als Beamt:innen 41 Wochenstunden arbeiten.

Wenn ich die 41 Wochenstunden auf die Wochentage umrechne, komme ich auf 8,2 Arbeitsstunden, das entspricht 8 Stunden und 12 Minuten pro Tag und entspricht einer Jahresarbeitszeit von 1804 Stunden.

Zwar sind hier die 30 Tage Urlaubsanspruch schon abgezogen.

Trotzdem ist das natürlich eine ganze Menge. Wenn man bedenkt, dass für viele Berufe inzwischen die 37,5-Stunden-Woche gilt, wirkt eine 41-Stunden-Woche irgendwie anachronistisch.

Nun wird die Arbeitszeit für uns als Beamt:innen ja in Deputaten ausgewiesen. Deputate sind die Unterrichtsstunden, die wir pro Woche in der Schule zu leisten haben.

Die Deputate unterscheiden sich je nach Schulart.

In Baden-Württemberg müssen Gymnasiallehrkräfte 25 Deputatsstunden unterrichten, Lehrkräfte in der Sekundarstufe I 27 Deputatsstunden, Grundschullehrkräfte 28 Deputatsstunden, und Fachlehrkräfte teilweise sogar 31 Deputatsstunden.

Jetzt wird es also kompliziert.

Eine Deputatsstunde entspricht 45 Minuten Unterrichtszeit.

Um die Zeitstunden entsprechend der Jahresarbeitszeit zu berechnen, bin ich folgendermaßen vorgegangen: (Ihr müsst das für euer Deputat anpassen)

Ich habe die Jahresarbeitszeit durch 27 geteilt (das entspricht meinem Deputat in der Sekundarstufe 1). 1 Deputatsstunde entspricht nach dieser Berechnung einer Jahresarbeitszeit von insgesamt 66,81 Stunden, die ich auf meine Arbeitstage verteilen muss.

Man kann auch folgendermaßen vorgehen: 27 Stunden mal 45 Minuten ergeben 1215 Minuten. Geteilt durch 60 sind das 20,25 Stunden, also 20 Stunden und 15 Minuten, die durch meine Unterrichtszeit in einer Schulwoche mit 5 Tagen abgedeckt sind.

Ihr seht die Differenz:

In einer normalen Schulwoche ohne Ferien und Feiertage macht die reine Unterrichtszeit etwa die Hälfte der Wochenarbeitszeit aus.

Nun gibt es durchaus Wochen, in denen man weit über die 41 Stunden kommt, wenn etwa Konferenzen und Klassenpflegschaftssitzungen anstehen oder Ausflüge und Klassenfahrten hinzukommen.

Um es genauer zu betrachten, habe ich mir den Schuljahreskalender für Baden-Württemberg angeschaut – ihr findet ihn bei Kalenderpedia in verschiedenen Formaten zum Download.

Hier habe ich die beweglichen Ferientage hinzugefügt und komme so auf die Anzahl der Schultage, auf die mein Deputat verteilt wird. Für Karlsruhe sind es 182 Schultage im Schuljahr 2023/24.

Bei 220 Arbeitstagen bleiben also 38 Arbeitstage, die in den Ferien liegen bzw. die ich als Ausgleich für die Überstunden an den Schultagen nehmen kann. Diese Zeit nutze ich zur Unterrichtsvorbereitung, zur Lektüre von Fachliteratur, zur eigenständigen Fortbildung und zum fachlichen Austausch mit Kolleg:innen, aber auch zum „Abfeiern“ von in den Schulwochen angesammelten Überstunden. Dass das nötig ist, zeigt meine bisherige Bilanz der ersten Schulwochen.

Ich achte momentan wirklich ziemlich genau darauf, mir Sonn- und Feiertage freizunehmen. Manchmal arbeite ich samstags und gönne mir dafür freitags einen früheren Feierabend.

Auch wir als Lehrkräfte haben ein Recht auf den gesetzlich verbrieften Arbeits- und Gesundheitsschutz. Niemandem ist geholfen, wenn ich mir keine Pause gönne, aber dafür irgendwann komplett ausfalle.

Wenn ich meine oben berechnete Jahresarbeitszeit gleichmäßig auf 12 Monate verteile, komme ich auf eine monatliche Stundenanzahl von etwas über 150 Stunden. Meine Bilanz bisher ist:

September: 157 Stunden

Oktober: 187 Stunden

Im September bin ich über meine verpflichtende Arbeitszeit gekommen, obwohl das Schuljahr erst am 11. September angefangen hat. Und der Oktober war nicht nur „gefühlt“ heftig und hat mir deutlich gezeigt, dass ich hier genau hinschauen muss. Im November werden es hoffentlich weniger Stunden werden, weil ich ihn den Herbstferien tatsächlich „nur“ ca. 20 Stunden gearbeitet habe.

Jetzt werden manche sagen: Ja, es ist aber doch nicht die Zeit alleine! Das stimmt! Es gibt viele Faktoren, die dazu beitragen können, dass man sich früher oder später überlastet fühlt. Und gleichzeitig gibt es Faktoren, die vor Überlastung schützen, obwohl man eine hohe Arbeitszeit hat. Welche Faktoren das sind, das erzähle ich euch ein anderes Mal.

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