Bildungsweise

Susanne Posselt

#schulfrei

An einem ganz normalen Schultag morgens aufzustehen und nicht in die Schule zu gehen, ist auch für Lehrer*innen seltsam. Nun ist er also vorbei, der erste Tag nach der Schulschließung. Langweilig war er nicht, obwohl ich fast ausschließlich zu Hause war und mich lediglich nachmittags selbst dazu überreden musste, eine Runde mit dem großen Sohn und der eher gemütlichen Leonbergerhündin Amy über die frühlingshaften Wiesen zu drehen.

Meinen schulfreien Schultag habe ich damit zugebracht, mich digital zu organisieren, verschiedene Tools auszuprobieren, mich mit den Kolleg*innen zu vernetzen, Eltern hinterherzutelefonieren, den E-Mail-Verteiler der Klasse zu vervollständigen und zu klären, wie die Schüler, die montags nicht in der Schule sein konnten, nun an ihre Arbeitsmaterialien kommen. Unsere unzureichenden Kommunikationsmöglichkeiten mit den Schüler*innen bereiten mir Kopfzerbrechen. Der landeseigene Mailserver BelWü ging zeitweise unter der Last des virtuellen und DSGVO-konformen Austauschbedarfes in die Knie und über die Messengerkanäle perlten die Fragen nach Alternativen zur Aufrechterhaltung des virtuellen Autausches. Gleichzeitig war ein spontanes und gelungenes Videomeeting mit Kolleg*innen und Schüler*innen wie ein Sonnenstrahl im Nebel der Unwägbarkeiten dieser Zeit.

Während ich heute früh noch ein virtuelles Lehrerzimmer in Form einer Videokonferenz aufgesetzt habe und mit Kolleg*innen den Kaffee immerhin via Bildschirm teilen konnte, erschien das Leben vor der Tür wie immer: Ein Bagger grub wie seit Tagen die Straße vor unserer Tür auf, hier wie auch im Neubaugebiet am Ortsrand waren geschäftige Bauarbeiter zu beobachten. Die Nachbarskinder spielten Fußball auf der Straße, die Rennradfahrer sausten trotz der Sperrung für den Autoverkehr mit voller Montur über den Fernradwanderweg an unserem Haus vorbei.

Die merkwürdige Gegensätzlichkeit von Außergewöhnlichem und Alltäglichem beschreibt die Stimmung dieses Tages im Rückblick gut: Ich spüre einen Widerspruch, der schwer fassbar erscheint und Fragen aufwirft. Wie werden die nächsten Tage und Wochen verlaufen? Wird es mir gelingen, das Leben und Lernen meiner Schüler*innen auf die Distanz weiter zu begleiten? Wie gehen sie mit dieser Situation um? Vermissen sie die Schule? Können sie erfassen, welche Auswirkungen die zunehmende Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit mit sich bringen wird? Verstehen sie, warum all diese Maßnahmen notwendig sind? Was bedeutet es für sie, wenn Schule ihren Alltag plötzlich nicht mehr strukturiert und die Tage so planlos verstreichen? Wie wird es weitergehen?

Man wird sehen. Ich werde sehen. Wir werden sehen.

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