Non scholae sed vitae discimus – Nicht für die Schule
Seneca
sondern für das Leben lernen wir.
Mein Blogbeitrag für die siebte Runde der Edublogparade (Einen Überblick findet man hier) kommt am letzten Tag des Monats Juli. Ich hätte ihn gerne früher geschrieben. Aber das Leben ist mir dazwischen gekommen. Wer mich kennt, weiß, dass ich derart mit der Schule verwoben bin, dass meine wochenlange Abwesenheit dort eigentlich unvorstellbar schien. Inzwischen habe ich den Krebs, der in mir wuchs, ins Nirwana geschickt. Besser gesagt: In die Pathologie. Dort wurde er seziert und analysiert und schließlich (vermutlich) entsorgt. Und ich kehre gerade zurück ins Leben.
Aber nun zum Thema:
Was hat die Schule mit dem Leben zu tun? Und das Leben mit der Schule? Lernt man in der Schule etwas fürs Leben?
Ich beginne mit der letzten Frage: Lernt man in der Schule etwas fürs Leben? Die Antwort auf diese Frage variiert vermutlich je nach Perspektive. Wenn ich an mein Schülerinnen-Ich zurückdenke, so habe ich mich damals sicher häufiger gefragt, wofür im Leben ich bestimmte Lerngegenstände in mein Hirn pauken sollte. Der Satz der Pythagoras, das Mitochondrium, das Leben der Effi Briest. Mein Glück war schon damals, dass ich von Natur aus neugierig bin und mich zunehmend Dingen öffnen konnte, deren Sinn sich mir seinerzeit nicht unmittelbar erschloss. Welch ein Glück.
Rückblickend würde ich sagen, man lernt in der Schule vieles fürs Leben. Nicht immer steht das, was wir lernen, in irgendwelchen Lehr- oder Bildungsplänen. Manches von dem, was dort steht, habe ich inzwischen längst vergessen, weil ich es nie wieder gebraucht habe.
Aus Lehrerinnenperspektive weiß ich natürlich im Hinblick auf eine noch weit entfernte Zukunft (die Abschlussprüfung!), dass bestimmte Kenntnisse in bestimmten Prüfungsformaten vorausgesetzt werden. Auch, wenn ich hin und wieder selbst nicht von der Relevanz der Gegenstände überzeugt bin, so liegt es doch in meiner Verantwortung, Schülerinnen und Schülern eine erfolgreiche Abschlussprüfung zu ermöglichen. Dass mithin ganz andere Lernbereiche entscheidender für den Weg ins Leben, in die Mündigkeit, sind, ist mir sehr bewusst und daran zu arbeiten, selbstverständlicher Teil meiner beruflichen Professionalität.
Jenseits der Lehrpläne habe ich in der Schule vor allem viel über Menschen gelernt. Wie funktionieren Gruppen? Wer ist warum erfolgreich? Wie arbeitet man mit Menschen zusammen, die man sich nicht selbst ausgesucht hat? Ich habe gelernt, wie wichtig es ist, Mentor:innen zu haben, Lehrer:innen, die an einem als Person interessiert sind. Und Buddys. Mitschüler:innen als Lernpartner:innen, mit denen man den Weg gemeinsam geht. Das habe ich mir gemerkt und mit ins spätere Leben genommen. Ich habe mir dann bewusst Mentor:innen gesucht und Buddys, die meiner Interessen und Ziele geteilt haben. Bis heute ist das so.
Inzwischen hat sich meine Perspektive auf Schule noch einmal verändert. Das Leben ist unvorhersehbar. Das ist vielleicht ein Problem von Schule. Wir bereiten auf prototypische Lebenswege vor. Aber es läuft nicht immer alles nach Plan. Man muss mit Enttäuschung, Leid und Krisen umgehen. Manchmal gibt es Situationen, auf die man nicht vorbereitet werden kann. Und doch trägt Schule dazu bei, dass wir auch solche Situationen aushalten. Durch sie hindurchgehen. Oft sind es wieder bestimmte Menschen, die durch ihr Vorleben einen Prototyp für den Umgang mit schwierigen Situationen darstellen. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es eine fehlerfreundlichere Schule. Niederlagen sind kein Scheitern. Sie sind eine Weggabelung. Wir lernen etwas aus ihnen, das uns weiterbringt. Oft sehen wir das erst viele Jahre später.
Und wie verhält es sich nun mit der Schule und dem Leben? Was haben beide miteinander zu tun? Im Leben von Schülerinnen und Schülern spielt Schule eine entscheidende Rolle. Sie nimmt einen Großteil ihres täglichen Lebens ein. Was es bedeutet, wenn sie fehlt, konnte man eindrücklich in den Zeiten der pandemiebedingten Schulschließungen sehen.
Umgekehrt ist die Schule voll von Leben. Sie ist Spiegelbild aller Spielarten des Lebens. Hier spielt sich das Leben im Kleinformat ab. Wir sehen Glück und Frust, Erfolg und Scheitern, Reichtum und Armut, Lebensfülle und Leid. Diese lebendige Schule macht meinen Beruf so vielfältig und anregend. Ich lerne selbst jeden Tag neu. Von Kindern und Kolleg:innen, von Eltern und den vielen anderen Menschen, die mir dort begegnen. Ich liebe dieses Leben und freue mich, wenn ich bald dorthin zurückkehren darf.
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